Zum Lachen auf die Insel. Als deutscher Komiker in England.
Christian Schulte-Loh, Piper 2017

Zum Lachen auf die Insel

Nice one, mate.

Die Idee, sich als deutscher Komiker auf der britischen Hauptinsel zu versuchen, ähnelt in etwa derjenigen, als 60-Kilo-Hämpfling eine Karriere in der amerikanischen "National Football League" zu starten, zwischen all den muskelbepackten 280-Pfund-Kolossen. Oder sich als jemand, der wie eine vor Jahren im Keller vergessene Kartoffel aussieht, für einen Miss- oder Mister-Universum-Titel zu bewerben. England ist das Mutterland der europäischen Stand-Up-Comedy. Britische Humoristen sind unschlagbar, knochentrocken, superoriginell und einfach wahnsinnig lustig. Die Deutschen demgegenüber gelten als langweilig, humorlos und sogar ein bisschen verbittert - selbst unter Deutschen. Der Terminus "Deutscher Komiker" kommt einem Oxymoron, also einem Widerspruch in sich, zumindest nahe. Briten lachen über Deutsche, nicht mit ihnen. Anders gesagt: Die Latte liegt himalayamäßig hoch.

Aber Christian Schulte-Loh hatte nicht nur diese absurde Idee, sondern auch einen Traum, seit er zum ersten Mal vor dem fraglichen Gebäude stand: Er wollte irgendwann zu jenen Top-Komikern gehören, die an den Wochenenden im legendären Londoner "Comedy Store" auftreten. Man verrät kein Geheimnis, wenn man anmerkt, dass er sich diesen Traum tatsächlich und unfassbarerweise erfüllen konnte. Inzwischen gehört er freitags und samstags zur regelmäßigen Besetzung, zu den Stars des Ladens. "Zum Lachen auf die Insel" erzählt davon, wie er das genau geschafft hat, und ganz nebenbei verrät das Buch einiges über die Eigenarten der britischen Comedyszene im Speziellen und des Britischseins im Allgemeinen.

Ich muss ehrlich sein - ich hatte Schulte-Lohs Namen bislang noch nicht gehört, obwohl ich ziemlich comedyaffin bin. Tatsächlich war es ein befreundeter Comedian, der die Leseempfehlung aussprach. Für diese Leute dürfte das Buch übrigens ein Muss sein, so wie Kerkelings "Ich bin dann mal weg" für alle Jakobsweg-Pilger oder Wesselohs "Bier leben" für die Craft-Bier-Brauer. Beim Rest des Publikums bin ich unsicher, denn Schulte-Loh erzählt zwar in vielen Episoden darüber, wie schrecklich oder schön Auftritte sein können, was das Besondere an Comedy auf der Insel ist, warum in London alle ausschließlich über Immobilien sprechen oder man sich nach dem Aussteigen aus dem in Gatwick gelandeten Flieger mantrisch vorbeten sollte, dass hier links gefahren wird, also die akute Gefahr beim Straßeüberqueren von rechts droht, aber er schreibt leider nur sehr wenig und höchstens andeutungsweise darüber, wie Comedyprogramme entstehen, wie die Auftritte im Detail ablaufen, wie der Umgang der Comedians untereinander aussieht und so weiter: Der - auch private - Alltag des Komikers fehlt, und auch über seine Vorgeschichte hätte ich gerne mehr erfahren. Das Buch bleibt in dieser Hinsicht ziemlich an der Oberfläche, ist auf Schulte-Lohs Erfolgsstory fokussiert, garniert mit ein paar Anekdoten über die Briten, einer nicht einmal unklugen Abhandlung über den "Brexit" und etwas Lebenshilfe für Großbritannienbesucher. Das liest sich nett und schnell, oft ziemlich unterhaltsam, aber es hat leider auch seine Längen, als solche erkennbaren Fülltexte und Wiederholungen.
Um nicht missverstanden zu werden: "Zum Lachen auf die Insel" ist fraglos sehr liebenswürdig, recht interessant und in Bezug auf die erzählte Geschichte auf jeden Fall einzigartig - das schafft kein zweiter! -, aber ich hätte mir mehr Substanz in Form von Vorgeschichten und Hintergründen vorstellen können, und übrigens - und das ist keiner - auch etwas mehr Witz. 

Das Buch bei Amazon

zurück

pfeil Übersicht: Tom Liehr

Landeier

Tom Liehrs aktuelle Veröffentlichung:
LANDEIER.
ROMAN.
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Oktober 2016
ISBN: 978-3499290428
EUR 14,99

Das Buch bei Amazon

 

©Tom Liehr - http://www.tom-liehr.de - Kontakt